Trocknungsheu melkt 2021 besser als erwartet
Trocknungsheu melkt 2021 besser als erwartet - Kühe können Stoffwechsel anpassen
(Dr. Edmund Leisen, LWK NRW, Katharina Weihrauch, LLH Hessen, Peter Kunz, Schweiz)
Kühle feuchte Witterung behindert die Heugewinnung, vor allem im atlantischen Klima. Gute Heuqualität lässt sich deshalb sicher nur mit Trocknungsanlagen erzeugen. Kühe können den Stoffwechsel an knappe Energie- und Proteinversorgung anpassen und trotzdem sehr gesund sein.
Mit dem Gedanken, eine Heutrocknungsanlage anzulegen, spielten in den letzten Jahren viele Betriebe. In unterschiedlichen Regionen haben sich sogar Heugruppen gebildet, die gezielt Heumilch erzeugen wollen. Und das nicht nur zur Käseherstellung. Einige starteten dieses Jahr. Am 1. November ab 20:15 Uhr werden in einem Online Höfe-Stammtisch „alte Hasen“ sowie Neueinsteiger über ihre Erfahrungen berichten: Wie lief die Ernte, die anschließende Trocknung und wie füttert es?
Bodentrocknung: In Mittelgebirge und NW-Deutschland besonders schwierig
Vor allem für Betriebe mit reiner Bodentrocknung war dieses Jahr wieder eine besondere Herausforderung. Nach mehrmaligem Wenden blieb fast nur „Stroh“ übrig. Kein Wunder, dass daraus Kühe kaum Milch geben können. Meine Erfahrungen aus früheren Jahren: Die Milchleistung kann im Herdendurchschnitt deutlich unter 10 Liter pro Kuh fallen. Eine Herausforderung sowohl für die Tiere als den Geldbeutel des Landwirtes. Besonders Frischmelkende und da vor allem die Erstkalbenden sind betroffen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: An sich nichts Neues: In früheren Jahren bildete Heu in allen Regionen die Futtergrundlage in der Winterfütterung. Die Qualität war meist sehr gering, die Milchleistung aber ebenfalls, so im Mittel der 30 er Jahre bei etwa 2.900 kg ECM/Kuh. Ein Grund für die geringe Futterqualität sind besonders im atlantisch beeinflussten feuchten Klima und in den Mittelgebirgslagen in den meisten Jahren unzureichende Trocknungsbedingungen, um einen wesentlichen Teil der Ernte als Heu in guter Qualität zu nutzen. Bevor das Heu trocken ist, kommt oft schon der nächste Regen. Unter den trockeneren und einstrahlungsintensiveren Bedingungen in Süddeutschland sind die Trocknungsbedingungen dagegen deutlich besser.
Tabelle 1: Verfügbare Feldtage für Bodentrocknung bei 1. Schnitt
Region in Deutschland |
Bodentrocknung |
Heubelüftung |
||
Erforderliche Tage |
Häufigkeit (1) |
Erforderliche Tage |
Häufigkeit (1) |
|
Mittelgebirge |
3,9 |
13% |
2,7 |
90% |
Nordwestflachland |
5,2 |
20% |
3,3 |
160% |
Mittel und Süd |
3,8 |
40% |
2,9 |
210% |
Quelle: Pfau 1971
(1) Häufigkeit mit Heutrocknungswetter innerhalb eines angestrebten Zeitraums von 10 Tagen
Deshalb wird in Nordwestdeutschland heute für die Stallfütterung vor allem Silage bereitet. Die Mehrzahl der Betriebe erzeugt auch etwas Heu für die Kälber und auch etwas für die Kühe. Denn gut gewonnenes Heu hat an sich eine gute Qualität. Voraussetzung für eine gute Heugewinnung aber: Der Boden muss erst trocken sein und dann sollten nach dem Schnitt mindestens 3,8 - 5,2 trockene Feldtage folgen. Für einen gesamten Schnitt sollten 10 Tage verfügbar sein, was im Mittelgebirge und im nordwestdeutschen Flachland nur in 13 bis 20 % der Jahre zu erwarten ist.
Später 1. Schnitt, 2. Schnitt energiereicher
Der erste Schnitt ist in diesem Jahr auch bei Silageerzeugung sehr spät ausgefallen. Auf den meisten Betrieben erst Ende Mai/Anfang Juni und damit so spät wie nur noch einmal (2013) in den letzten 23 Jahren, in denen die Erntetermine auf Öko-Betrieben im Rahmen des Projektes „Öko-Landbau in NRW“ festgehalten werden. Wer Heu erzeugte, wartete aber noch 10 - 14 Tage, damit Boden und Luft ausreichend trocken waren. Zu diesem Zeitpunkt war das Futter selbstverständlich schon stärker gealtert. Kein Wunder: Im Mittel nur um 5 MJ NEL/kg TM, ein Wert, der im Mittel der letzten Jahre auch bei Heuproben aus Bodentrocknung erzielt wird. Nur wer schon Ende Mai schneiden konnte oder in Höhenlagen des Mittelgebirges liegt, erzielte 5,73 MJ NEL/kg TM.
Erschwerend kam hinzu, wenn das Futter vor der Ernte ins Lager gegangen war. Gerade klee- oder luzernereiche Bestände bekommen dann schnell einen unangenehmen Geruch und lassen sich im Extrem nicht mehr verfüttern. Hier muss bei der Sortenwahl auf ausreichend Standfestigkeit geachtet werden. Italienische Luzernesorten sind in der Regel meist weniger standfest als deutsche.
Der 2. Schnitt erfolgte im Mittel 47 Tage später und fiel energetisch vergleichbar aus wie der frühe erste Schnitt, zumindest im Mittel aber proteinreicher: 13,5 statt 11 %.
Nährstoff- und Mineralstoffgehalt Heu Ernte 2021 (%; MJNEL/kg; g/100 g, Bezugspunkt: Trockenmasse) Bei Unterdachtrocknung |
|||
|
1. Schnitt früh (7 Proben) 31.05.2021 |
1. Schnitt spät (5 Proben) 14.06.2021 |
2. Schnitt (6 Proben) 23.07.2021 / 47 Tage alt |
Rohasche |
9,7 |
8,6 |
10,1 |
Rohprotein |
11,0 |
8,7 |
13,5 (9,2 – 18,7) |
Zucker |
15,0 (4 -20) |
10,7 |
11,9 |
Rohfaser |
26,3 |
31,6 |
24,5 |
MJ NEL/kg |
5,73 (5,1 – 6,3) |
5,00 (4,7 – 5,3) |
5,76 (5,5 – 6,0) |
Kalzium |
0,43 |
0,48 |
0,70 |
Phosphor |
0,30 |
0,28 |
0,29 |
Kalium |
2,79 |
2,64 |
2,51 |
Magnesium |
0,16 |
0,15 |
0,21 |
Natrium |
0,04 |
0,02 |
0,02 |
N:S-Verhältnis |
11,6 |
10,5 |
11,3 |
Heu melkt besser als Analyse erwarten lässt
Die Analysen vom 1. Schnitt waren enttäuschend, dies war wegen des Schnittzeitpunktes aber auch nicht anders zu erwarten. Das Heu scheint aber besser zu füttern als erwartet. Gründe dafür:
- Gut gewonnenes Heu wird gerne gefressen. Beim direkten Vergleich mit Anwelksilagen: Plus 1 - 4 kg Trockenmasse (Kaufmann und Zimmer, 1970). Einer der Gründe kann der höhere Zuckergehalt sein. Ein anderer Grund ist die Schmackhaftigkeit: der Säuregehalt der Silage hemmt den Verzehr. Die höhere Futteraufnahme kann niedrigere Gehalte zumindest teilweise ausgleichen.
- Die Verwertung von Heu wird möglicherweise unterschätzt. Aufschlussreich dazu ein 10-jähriger Versuch am Plantahof, Schweiz: Im Winter zu 38% mit Unterdachtrocknungsheu gefütterte Kühe gaben etwa 8. 200 kg ECM/Jahr. Daneben bestand die Ration zu 42% aus Maissilage und zu 20% aus Grascobs (jeweils bezogen auf Trockenmasse). Im Sommer ging 2/3 der Herde auf die Alm. 2006 hatte ich mir 3 Heuproben zusenden lassen: 5,6 MJ NEL/kg TM und damit deckungsgleich dem langjährigen Mittelwert am Plantahof. Aber nicht genug, um die Milchleistung erklären zu können.
Stoffwechsel passt sich an knappe Energie und Rohproteinversorgung an
8.200 kg ECM/Kuh und Jahr bei der Raufutterherde (Raufutterherde im Vergleich zu Leistungsherde mit jeweils etwa 40 Brown Swiss Kühen) war so nicht zu erwarten. Für dieses erstaunliche Ergebnis gibt es 2 Hauptgründe:
- Es braucht eine ausgezeichnete Qualität aller Komponenten der Ration
- Wenn Kühe während Wochen und Monaten immer knapp mit Rohprotein und Energie versorgt werden, so passt sich ihr Stoffwechsel an und setzt die aufgenommene Energie und das Protein effizienter um.
Negative Bilanzen bei Energie und Rohprotein
Energie: Bei andauernd knapper Energieversorgung wird der Stoffwechselumsatz reduziert. Die Kuh produziert weniger Wärme um Energie zu sparen. Dadurch kann mehr Energie zur Produktion der Milch verwendet werden. Beispiel Plantahof Herde: Futtererhebungen ergaben bei 33 kg tatsächlicher Milchleistung eine Energieaufnahme für nur 30 kg Milch (Bilanz Energie: - 3,0 kg Milch)
Rohprotein: ein tiefer Rohproteingehalt der Ration kompensiert der Stoffwechsel, indem weniger Rohprotein mit dem Kot, dem Harn und der Milch ausgeschieden werden. Beispiel Plantahof-Herde: Futtererhebungen ergaben bei 33 kg tatsächlicher Milchleistung eine Aufnahme an umsetzbarem Protein für nur 24.5 kg Milch (Bilanz umsetzbares Protein - 8,5 kg Milch). Die Kuh passte ihren Stoffwechsel gerade beim Rohprotein in erheblichem Umfang an: Im Vergleich zur parallel mitlaufenden Leistungsherde (etwa 10.000 kg Milch, 5,4 kg Kraftfutter, keine negativen Energie- und Proteinbilanzen): 12% weniger Protein in der Milch, Harnstoffgehalt in der Milch und Rohproteinmenge im Harn um jeweils 50% niedriger, Rohproteinmenge im Kot um 28% niedriger. Dabei waren sie offensichtlich auch gesünder: 19% im Vergleich zu 35 %Remontierungsrate bei der Leistungsherde. Übereinstimmend mit den eigenen langjährigen Auswertungen: 4,7 Jahre Nutzungsdauer bei 106 Tagen im Jahr unter 150 mg Harnstoff pro kg Milch, bei „ausgeglichener Proteinversorgung“ nur 3,8 Jahre.
Sicherlich: Der Rohproteingehalt der Ration kann nicht beliebig reduziert werden. Ist die Rohproteinzufuhr zu tief, so sinkt die Milchleistung und der Milcheiweißgehalt stark ab und die Verdaulichkeit der Gesamtration verschlechtert sich. Die erforderliche Zufuhr liegt unter den oben genannten Bedingungen aber deutlich niedriger als es die Fütterungsnormen erwarten lassen.
Münster und Kassel, den 29. Oktober 2021